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Die EU-Wahl - eine Nachlese

15. Juni 2024

Eine Nachlese

Die Europawahl 2024, die zehnte Direktwahl zum Europäischen Parlament mit seinen 720 Abgeordneten, hat nun in den 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union stattgefunden. Die Wahl fand nach dem Verhältniswahlrecht statt (auch in Ländern, die bei nationalen Wahlen ein Mehrheits-Wahlsystem kennen) und es gab in den einzelnen EU-Staaten unterschiedliche Regelungen zur Sperrklause (z. B. in Deutschland keine Sperrklausel, in Frankreich hingegen eine 5 %-Sperrklausel). In einigen Ländern herrschte Wahlpflicht (Belgien, Bulgarien, Griechenland, Luxemburg und Zypern) und wie in meinem früheren Beitrag erwähnt konnten in einigen Ländern schon Unterachtzehnjährige wählen. Anders als es sich das EU-Parlament selbst gewünscht hatte, konnte die Wählerschaft nicht über europäische (d.h. transnationale) Parteien bzw. Listen abstimmen. Die Wählenden in Deutschland mussten also für die FDP stimmen, wenn sie die Liberalen im EU-Parlament stärken wollten, sie konnten nicht für die Verbindung aller liberalen Parteien in Europa stimmen, die Renew Europe (früher: ALDE) heißt. Wie ging die Wahl aus?

Die Europäische Volkspartei (Mitte-Rechts-Ausrichtung) im Vergleich zum scheidenden Parlament 24 Sitze hinzu und kommt auf 190 Sitze (26%), womit sie stärkste Fraktion wird. Die S&D (sozialdemokratische Ausrichtung) kommt mit 136 Sitzen (18%) auf den zweiten Platz und hält damit ungefähr ihr Ergebnis (vorher 139 Sitze). Den dritten Platz, den davor noch die Liberalen belegt hatten, nimmt nun die EKR (rechtskonservative Ausrichtung) mit 83 Sitzen bzw. 11,5 Prozent ein. Die Liberalen kommen mit 80 Sitzen (11%) knapp dahinter, womit sie aber 22 Sitze verlieren. Danach kommt bei der aktuellen Wahl mit 58 Sitzen (8%) die Fraktion Identität und Demokratie, der im alten Parlament rechtsradikale Parteien wie die österreichische FPÖ oder die Fratelli d’Italia angehörten (die AfD war dort kurz vor der Wahl ausgeschlossen worden). Die Fraktion der Grünen/EVA landet bei der Wahl 2024 nur auf dem sechsten Platz mit 51 Abgeordneten (vorherige Fraktionsstärke: 71 Mandate). Die Linksradikalen bleiben bei etwa 5 % wie schon vorher. Aufgrund des Fehlens einer Sperrklausel werden zahlreiche Vertreter von kleinen Parteien dem EU-Parlament 2024-2029 angehören, von denen aktuell noch unklar ist, welcher Fraktion sie sich anschließen werden.

Kurzum: Das rechtsradikale, integrationsskeptische Lager erstarkt damit, macht aber nicht den Durchmarsch, den manche Kommentator:innen vorher prognostiziert hatten. Die Fraktionen, die in der Vergangenheit europafreundlich gestimmt waren, haben auch weiterhin die Mehrheit im EU-Parlament. Diese Unterscheidung (integrationsfreundlich vs. für eine Rückübertragung von Kompetenzen auf die Nationalstaaten) ist bei EU-Wahlen mindestens ebenso wichtig wie als das Rechts-Links-Schema.

In einzelnen Ländern werden rechtsradikale Parteien 2024 jedoch erschreckend stark: in Frankreich bekam der RN mit Abstand die meisten Wählerstimmen, in Österreich lag knapp die FPÖ vorn. Ausgeglichen wurden das durch das relativ schwache Abschneiden rechtsradikaler Parteien in Finnland, Schweden, Dänemark, Ungarn, Polen, die Slowakei und anderen osteuropäischen EU-Ländern.


Anders als vorher befürchtet, war die Wahlbeteiligung nicht gering. Für die gesamte EU gerechnet war sie sogar leicht höher als in den letzten vier Durchgängen (siehe Grafik unten, links). In den einzelnen Mitgliedsstaaten fiel sie unterschiedlich aus, natürlich am höchsten in Ländern mit Wahlpflicht (siehe Grafik unten, rechts). In Deutschland lag sie mit 64,78% höher als bei früheren Europawahlen (2019: 61,38 Prozent; 2014: 48,1 Prozent; 2009: 43,27 Prozent usw.) und z.T. deutlich höher als in anderen EU-Ländern ohne Wahlpflicht.



 

PS: Bei dieser Wahl war ich zum ersten Mal Kandidat, für die FDP. Mein eigener Europawahlkampf wird erst im Kreisvorstand am 1. Juli besprochen, daher schreibe ich dazu heute noch keine Bewertung. Nur so viel heute: Die FDP erhielt mit einem bundesweiten Wahlergebnis von 5,2 Prozent fünf Mandate im EU-Parlament (so viele wie auch bei der letzten Wahl 2019). In meinem Wahlkreis Esslingen hat das Ergebnis (7,33 Prozent) seinen Teil dazu beigetragen, dass Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Svenja Hahn, Andreas Glück, Moritz Körner und Jan-Christoph Oetjen ins EU-Parlament einziehen werden. Herzlichen Glückwunsch! Dass ich von den Wählerinnen und Wähler ins Europa-Parlament gewählt werde, war aufgrund meines Listenplatzes rechnerisch von vorneherein ausgeschlossen gewesen.Mein erster Wahlkampf überhaupt hat mir Spaß gemacht und ich bedanke mich bei allen für die Unterstützung (Auf- und Abhängen von Plakaten, gemeinsame Auftritte an den Marktständen, allgemeine Beratung, usw.).

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